JugendraumSagen

Brig / Simplon

Stockalper und die Räuber

Im Brand, oberhalb der Rohrflühe, lebten ein paar Wirtsleute, die nebenbei noch Landwirtschaft betrieben und die in der Nacht auf Raubzug gingen. Schon oft hatten sie reiche Kaufleute bestohlen und ausgeplündert. Man konnte ihnen aber nie etwas nachweissen, man wusste nur, dass sie sich immer als Frauen verkleidete um nicht erkannt zu werden. Doch Kaspar von Stockalper wollte diesem Treiben entgegen wirken. Weil alle Versuche bisher scheiterten, soll er sich zu folgenden Wagnis entschlossen haben. Er zog sich als armer, unsauberer Bettler und Narr an, ging nachts durch diesen voll gefahrlauernden Wald und wurde von den Räubern gefangen. Er konnte sich so gut verstellen, dass von den Räubern am Anfang niemand Verdacht schöpfte und einen Spion vermutete. Mit Freude und Gelächter wurde er der Koch der Räuber und musste ihnen Polenta kochen. Als jedoch einer der Räuber Stockalper zeigen wollte, wie man Polenta machen müsse, und dabei immer im Uhrzeigersinn umrührte, nahm er den Kochlöffel und sagte: „Äs geit nit immer nummu so, äs geit öi uf d ander Sitta“ und rührte im Gegenuhrzeigersinn die Polenta. Die Räuber hatten an diesem, wie sie meinten,  naiven Einfall ihren Spass. Einige begannen jedoch mit verdächtigen Blicken den neuen Koch zu mustern und meinten: „Dieser Narr gefällt uns nicht, seine Augen sehen viel zu schlau aus. Wer weiss, vielleicht ist er doch ein Spion!“ Es gab eine grosse Aufregung unter den Räubern, und Stockalper hatte befürchten müssen, plötzlich von den Räubern mit einem Dolch aufgeschlitzt zu werden. Doch Stockalper wusste sich weiter zu verstellen, dass sich fast alle Räuber wieder beruhigten und mit einem Lachen feststellten: "Un Göich isch un Göich!" Doch weil sich die Räuber durch Stockalper in zwei Gruppen spalteten, hielten sie es für besser, ihn mit beleidigten Sprüchen und Fusstritten aus ihrer Höhle zu jagen.

Kaspar von Stockalper wusste nun was die Räuber für Pläne hatten und hat ihr Lager gründlich ausgekundschaftet. Er nahm seine Männer, lief mit ihnen zum Lager der Räuber, überwältigte sie im Schlaf und nahm sie gefangen. Vor dem Gericht in Brig erkannten sie zu ihrem grossen Ärger den Narren wieder und  machten einander gegenseitig Vorwürfe: "Hatten wir nicht recht, wenn wir behaupteten, es sei ein versteckter Spion?"  "Und" schmunzelte Stockalper, "hatte ich nicht auch recht, wenn ich sagte: <Äs geit nit immer nummu so, äs geit öi uf d anner Sitta!>?".

Niels Hellrigl

Quelle:
  • Peter Keckeis Sage der Schweiz Wallis
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