SpracheGrammatik

Dialäktgränzä im Walliserditsch

[Dialektgrenzen im Walliserdeutschen]

Habe ich oben versucht, das Walliserdeutsche wenigstens ganz grob zu charakterisieren, versuche ich nun im Folgenden die dialektischen Unterschiede und die Vielseitigkeiten des Walliserdeutschen darzustellen. Wichtig ist nochmals: Die obgenannten Merkmale gelten selten für das ganze Oberwallis und zum Teil nicht nur für das Oberwallis. Die folgende Karte geht auf die wichtigsten Unterschiede ein:
Die hier aufgeführten Hauptunterschiede sind auch von einem ungeschulten Ohr leicht zu hören und lassen die ungefähre Herkunft des Sprechenden feststellen; sie zeigen aber auch, wie un­einheitlich das Walliserdeutsche eigentlich ist. In diesem Punkte entstehen auch immer die heftigsten Diskussionen um die richtige oder falsche Aussprache - dabei geht es beim Dialekt nie um richtig oder falsch, sondern immer nur um die Frage: Wie sagt man bei uns?

Alle diese markanten Grenzen laufen von Norden nach Süden und teilen damit das Oberwallis in eine östliche (Chääs) und eine westliche (Chees) Hälfte .

vgl. Zweiteilung des Walliserdialekts

  • Die markanteste Grenze zwischen «ee» und «ää»  in langen Silben verläuft zwischen Ausserberg und Eggerberg, westlich Baltschieder durch Visp und östlich des Saastales: schweer - schwäär (schwer). Das Interessante an dieser Grenze ist die Tatsache, dass bis vor wenigen Jahren dies auch die traditionelle Grenze zwischen Fleck- (Simmentaler) und Braunvieh war: aus der Milch einer gescheckten Kuh machte man also Chees, aus der Milch einer braunen Kuh entstand Chääs (Käse). Weitere Beispiele sind: Scheeri - Schääri (Schere) meeiju - määiju (mähen) dreeiju - drääiju (drehen). Wir Kinder (Ausserberg) neckten unsere Mutter (Baltschieder) immer mit dem Sprüchlein: ... mit der Schääri an de Zääwe der Chääs chratzu (Neckspruch zur unterschiedlichen Lautung: ... mit der Schere an den Zehen den Käse kratzen).
  • Etwas weiter östlich treffen wir auf genau das umgekehrte Phänomen mit «ä» und «e» in kurzen Silben. Die Grenze verläuft östlich von Brig: pchännu - pchenne.
  • Zusätzlich erleben wir hier die oben erwähnte Abschwächung der vollen Nebensilbenvokale auf «e»; diese Abschwächung verläuft von Westen nach Osten: heisst es z. B. in Turtmann gigangu, sagt man in Visp ggangu, in Brig ggangä und im Goms dann gange (gegangen).
  • Die sogenannte Gommergrenze (obwohl auch Teile Östlich Rarons dazugehören) ist die Grenze zwischen iisch und insch; an diesem bi insch im Goms erkennt man sofort die Herkunft östlich von Brig.
  • Eine weitere markante Grenze bildet die unterschiedliche Aussprache des Personalpronomens «du»; wird es westlich der Linie Eggerberg – Baltschieder - Visp und den Vispertäler mit einem kurzen, oft nasalem>du  gesprochen, tönt es östlich lang und hell «üü» düü.

vgl. PPT zum Thema

Neben diesen markanten Grenzen gibt es noch viele kleinere Nuancen, die dem kundigen Ohr es noch heute ermöglichen, den Sprechenden als z. B. Saaser, Grächner, Lötscher, Leuker, Rarner, Grengjer oder Münstiger zu lokalisieren. Obwohl in den grossen Talgemeinden die Mundart durch Zuwanderung von allen Seiten und durch die Medien inzwischen so verflacht ist, dass sich Unterschiede nur sehr schwer feststellen lassen, ist es heute immer noch möglich, einige lokale Phänomene zu erkennen.

Lokale Eigenheiten 

Der ch-Laut wird im westlichen Oberwallis sehr rauh und krachend gesprochen - palatal bis velar (aus diesem Grunde werden wir von Deutschen oft mit den Holländern verwechselt - wir Walliser lassen das «ch» ähnlich krachen wie die Niederländer oder Flamen); weiter nach Osten wird dieser Laut zunächst im Anlaut und später auch im Auslaut weicher: Kchuchchi zu Chu[c]hi. In Bellwald wird das «l» wie im Berndeutschen zu «u» vokalisiert; der Bellwalder sagt also Beuwaud (Bellwald); die Simpeler (Simplon Dorf) fallen durch die Diphthongierung von «u/ü» auf und sagen dui, Muis (du, Maus); die Saaser (Saastal mit Saas Fee, Almagell, Grund, Balen) verdoppeln, neben ihrer urtümlichen Sprechmelodie und neben ihrer manchmal unorthodoxen Wortstellung die Laute «l, m, n» zwischen Vokalen nicht: Wenntd Sunu nitschiint, triibi Hamer und Chelu wägg! (Wenn die Sonne nicht scheint, werfe ich Hammer und Kelle weg). Bei den Zermattern (und weniger stark auch bei den Leukerbadnern) tönt das «a» so hell und offen, wie man es sich eigentlich von der deutschen Bühnensprache her gewohnt ist. Im übrigen Oberwallis wird es sehr dumpf und dunkel (geschlossen) gesprochen, so dass es schon fast wie das hochdeutsche «o» tönt. Markante Eigenheiten hat auch das Lötschental. Es grenzt sich sprachlich in einigen Bereichen so stark ab, dass man spöttischer weise manchmal auch vom Kantn Leetschn (Kanton Lötschen) spricht. Einerseits werden die Endungen auf «u/e» (-en) wie im Hochdeutschen mit «n» gesprochen, aber das «e» wird soweit abgeschwächt, dass praktisch nur noch das «n» (vokalisiertes «n») übrig bleibt, also Leetschn, bringn, loiffn (Lötschen, bringen, laufen). Andererseits wird das hochdeutsche «nk», das im Walliserdeutschen «ch» gesprochen wird, zu «h», also triihn (trinken). Im Raume Raron-Turtmann werden die vollen Nebensilbenvokale im Auslaut sehr stark durch die Nase gesprochen (nasaliert): Turtman, bringun (Turtmann, bringen). Ein letztes Phänomen, das ich hier aufzeigen möchte, ist die Verschiebung von «w» zu «b» in den Leukerbergen (Erschmatt, Bratsch, Guttet, Feschel) und in Leukerbad: Löübinuverbüübige statt Löwwinnuverbuwwige (Lawinenverbauungen).

[1]  Volmar Schmid: Kleines Walliser Wörterbuch. Gebäude. Verlag Wir Wasler, Brig 2003

Volmar Schmid: Text und Abbildungen, 10. 12. 2007

Hier finden Sie einen Anleitung zur Schreibung der Walserdialekte:

Hörprobe

Literaturhinweise

  • Bohnenberger, Karl: Die Mundart der deutschen Walliser im Heimattal und in den Aussenorten. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik, Bd. VI), Frauenfeld 1913.
  • Carlen, Albert: Walliser Deutsch. Sonderabdruck aus der "Schweizer Schule", Jg. 33, 1946, Nr. 6
  • dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. dtv, München, 1978
  • Hotzenköcherle, Rudolf-. Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz. Verlag Sauerländer, Aarau, 1984 Schmid, Volmar: Kleines Walliser Wörterbuch. Gebäude. Wir Walser, Brig, 2001
  • Sprachatlas der Deutschen Schweiz. Herausgegeben von: HOTZENKÖCHERLE, fortgeführt von Robert Schläpfer, Rudolf Trüeb und Paul Zinsli, Bd. I-VII, Francke Verlag, Bern,1962-1993.
  • Werlen, Iwar; Verena Tunger; Ursula Frei: Der zweisprachige Kanton Wallis. Rotten-Verlag, Visp, 2010
  • Zinsli, Paul: Walser Volkstum. 7. ergänzte Auflage, Verlag Bündner Monatsblatt, Chur, 2002
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