Ds Walserditsch in Oberitalie

[Walserdeutsch in Oberitalien]

1929 nahm das Phonogrammarchiv der Universität Zürich in Domodossola eine ganze Reihe von Beispieltexten im Walserdeutschen der oberitalienischen Walsersiedlungen auf. Diese Texte wurden 1952 von Fritz Gysling und Rudolf Hotzenköcherle mit einem Begleittext versehen. Dieser Begleittext enthält die Aufnahme in schriftlicher Form in einer diethschen Dialektschrift, einer phonetischen Trankskription und einer hochdeutschen Übersetzung.

PDF der Begleitschrift: Anfang Teil 1 Teil 2,  Teil 3,  Teil 4

Im Anschluss drucken wir das Vorwort der Begleitschrift ab, so kann sich jeder über Ziel und Inhalt selber ein Bild machen. 

Vorwort

Die vorliegende Textsammlung ist unter Bedingungen entstanden, die nicht ohne Einfluß auf ihre heutige Gestalt bleiben konnten und die darum dem Benützer dieses Heftes nicht vorenthalten werden dürfen.

Die Anfänge gehen in die Zeit zurück, als das Phonogrammarchiv der Universität Zürich für die technische Durchführung seiner Aufnahmen auf die Zusammenarbeit mit der „Lautabteilung der Preußischen Staatsbibliothek" in Berlin angewiesen war: so besorgte unser Institut zwar im Sommer 1929 die Vorbereitung der Aufnahmen und der Sprecher durch Dr. F. Gysling, R. Hotzenköcherle und Frl. Dr. C. Stockmeyer, die Aufnahmen selbst aber wurden im Oktober jenes Jahres von Prof. W. Doegen aus Berlin in Domodossola durchgeführt. Da das Zürcher Phonogrammarchiv damals auch noch keine eigene Textreihe besaß, die Berliner "Lautbibliothek" aber auf Jahre hinaus durch andere Publikationen (worunter zahlreiche wieder in Arbeitsgemeinschaft mit unserm Phonogrammarchiv aufgenommene Schweizer Texte) blockiert war, bestand zunächst überhaupt keine Möglichkeit, diese ennetbirgischen Walsertexte zu veröffentlichen. Erst 1941 griff der damalige Leiter der „Lautbibliothek", Prof. Westermann, auf sie zurück und regte an, sie für die „Lautbibliothek" (und auf deren Kosten) durch das Phonogrammarchiv bearbeiten und bei Huber & Co. drucken zu lassen. Wir gingen sofort an die Arbeit und hatten trotz schwerer Behinderung durch den häufigen Militärdienst und die berufliche Inanspruchnahme des Hauptbearbeiters etwa die Hälfte der Texte druckfertig gestellt, als 1945 mitten im Korrekturengang der Zusammenbruch in Deutschland zur Einstellung des Druckes zwang.

Nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser Verhältnisse hatte das Phonogrammarchiv der Universität Zürich unterdessen den Plan einer eigenen Textreihe gefaßt und weitgehende Vorarbeiten hiefür betrieben. Als uns im Jahre 1947 Prof. Westermann die volle Verfügungsfreiheit über die ennetbirgischen Walsertexte gab, beschlossen wir sofort, sie in die geplante Reihe aufzunehmen.

Um die bereits in diesen Texten investierte große Arbeit und den schon vorhandenen Satz nicht zu verlieren, verzichteten wir auf eine volle Adaptation an die im übrigen für diese Reihe vorgesehene Form; vor allem kam eine Umschreibung in die neue Transkription auch aus prinzipiellen Überlegungen nicht in Frage.

Mit dem langen Werdegang dieser Texte hängt manche Unzulänglichkeit zusammen, die dem Benützer auffallen mag. Schon der Umstand, daß die Aufnahmen nicht an den einzelnen Orten selbst, sondern, aus technischen Gründen, zentralisiert in Domodossola stattfinden mußten, wirkte sich nachteilig aus: statt der im Sommer im Hinblick auf artikulatorische und allgemein stimmliche Eignung sorgfältig ausgelesenen und vorbereiteten Sprecher erschienen zum Teil Stellvertreter — das wichtige und schön vorbereitete Alagna fiel bedauerlicherweise überhaupt aus —; statt der mit den vorgesehenen Sprechern transkriptorisch und lexikalisch-inhaltlich gründlich durchgearbeiteten Texte sahen wir uns zum Teil neuen Texten gegenüber, die in der unruhigen Atmosphäre einer „durchgepeitschten" Massenaufnahme weder mit der genügenden Sorgfalt transkribiert noch genügend eingehend besprochen werden konnten; das Fehlen eines Vorprotokolls mußte sich besonders in jenen Fällen nachteilig auswirken, wo die Sprecher unter dem Eindruck der ungewohnten Umgebung und Situation sich verhaspelten. Daraus erklären sich nicht nur gewisse Ungleichwertigkeiten der Texte in inhaltlicher Hinsicht, sondern vor allem auch Unsicherheiten in der Transkription sowie die Lücken in Übersetzung und Kommentar mancher Stücke. Eine restlose Rekonstruktion rein nach der Platte verbot in den meisten Fällen schon die akustische Qualität dieser Platten; die Erinnerung mußte bei so großem zeitlichem Abstand von vornherein versagen; eine nachträgliche Klärung war bei der Abgelegenheit und Entfernung dieser Mundarten praktisch ausgeschlossen. So haben einzelne dieser Texte twas Torsohaftes.

Wir glaubten uns indes doch berechtigt und verpflichtet, auch die am wenigsten befriedigenden Stücke (Agher, Saley, Rima) in diese Sammlung aufzunehmen. Sie enthalten immer noch eine solche Fülle von lexikalischem und grammatischem Stoff, daß sie, beim sonstigen Mangel an publizierten zusammenhängenden Texten aus diesen Mundarten, eine wertvolle und einmalige Dokumentation darstellen. Zusammen mit den in jeder Beziehung gelungenen, ja zum Teil prachtvollen Stücken aus Gressoney, Issime, Maeugnaga, dem obern Pomat, hinter denen sie übrigens zahlenmäßig weit zurückstehen, geben sie ein wohlgerundetes, eindrucksvolles Bild dieser ebensosehr durch Altertümlichkeit wie durch die Intensität der germanisch-romanischen Symbiose merkwürdigen Mundartgruppe. Daß hier einmal in größerer Anzahl umfangreichere Texte aus fast sämtlichen wichtigeren Walsergemeinden südlich der Alpen' transkribiert, übersetzt und kommentiert und damit der Forschung und dem wissenschaftlichen Unterricht wie der Beschäftigung des Liebhabers zur Verfügung gestellt sind, dürfte überhaupt die eigentliche Bedeutung dieser Publikation ausmachen. Sie wird erhöht durch den schmerzlichen Umstand, daß die Mundart dieser einstigen Walliser Kolonisten auf den obersten Talstufen der Lys, der Sesia und des Toce und ihrer Nebenflüsse heute im Begriffe ist, in den romanischen Dialekten und Schriftsprachen ihrer Umgebung aufzugehen.

R. Hotzenköcherle
Literatur zu den ennetbirgischen Walserkolonien
  • A. Schott, Die deutschen Colonien in Piemont. Stuttgart und Tübingen, 1842. G. Giordani, La Colonia tedesca di Alagna-Valsesia. Torinn 1891.
  • K. Bohnenberger, Die Mundart der deutschen Walliser im Heimattal und in den Außenorten = BSG VI. Frauenfeld 1913.
  • E. Balmer, Die Walser im Piemont. Bern 1949
VS, 24. 2. 2011
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