FeldarbeitAckerbau

Acher bstello

[Die Bestellung des Ackers]

Bevor man an die Bearbeitung des Ackers ge­hen konnte, musste er von heruntergerollten Steinen oder abgerissenen Ästen gesäubert werden; viele Äcker lagen in Lawinengebie­ten. Manchmal galt es auch, beschädigte Trockenmauern auszubessern. Hatte der Bau­er über mehrere Jahre hinweg die steilen Äcker zu nachlässig umgebrochen, glitt der Humus, d Äärda, allmählich an die untere Ackerbegren­zung. Er musste dann im Rückentragkorb, Tschiffra,  wieder nach oben getragen werden, eine müh­same Arbeit.

Auf den im Herbst abgeernteten Äckern wuchs im folgenden Frühjahr etwas Gras nach, vor allem Löwenzahn. Im Juni zogen üssschrecku, ströüpfu, es die Frauen von Hand aus und fütterten es dem Vieh. Dabei trugen sie die schwere Last über grosse Distanzen zu den Ställen.

Als Dünger trugen die Leute im Riggchörb, in der Tschiffra, in einem Tuch oder Sack die getrockneten, von den Wiesen abgerechten Reste des Mistes auf die Getreidefelder, nicht selten vom Dorf bis in die Äcker unterhalb des Hubels. Auf die obersten Äcker in den Wengen oberhalb des Bahnhofs wurde der normale Kuh- oder Schafmist teilweise mit dem Maultier ge­säumt. Das Tragen war sehr anstrengend. An einigen Orten standen einfache Ställe ohne Scheune in ihrer Nähe. Sie erfüllten zwei Zwecke: Hier brachten die Hirten im Mai zur Zeit des Hütens ihre Kühe oder Schafe über Nacht unter. Der so gewonnene Mist konnte zum Düngen der angrenzenden Äcker ge­braucht werden. Wie kostbar der Mist gewe­sen war, zeigt, dass die Gemeinde den Strassenmist sammelte und an interessierte Bauern verkaufte.

War auf einem Acker das Kraut entfernt, folg­te in den nächsten Tagen die schwerste Arbeit, das Umbrechen, in der Walliser Mundart Howwu genannt. Die Bauern brauchten dazu eine Haue. Mit dem Maultier zu pflügen war aus Gründen der Geländebeschaffenheit und der geringen Fläche nicht möglich. Die einzige Ausnahme bildete die Familie Seiler, die ihren grossen Garten nördlich des Hotels Mont Cervin mit dem Pferd pflügte. Da in Zermatt die Äcker in steilerem Gelände lagen, kam die Spitzhaue, die Schpizzhowwa, zur Anwen­dung. Sie war herzförmig, mit einer scharfen Spitze. Der kurze, gebogene Stiel sass in einem Winkel von etwa 50 Grad zur Haue in der Öse. Das Howwu, eine kräfteraubende Arbeit,war Männersache und erforderte eine gute Kondition und Ernährung. Darauf deutet wohl die Redewendung hin: Är isst wie in Howwer. Deshalb führten die Männer diese Arbeit möglichst am frühen Morgen vor Son­nenaufgang aus. Sie erstreckte sich oft über mehrere Wochen bis zum Beginn der Heuern­te. Manche Familien besassen weit über ein Dutzend Äcker. Aber nur auf der Hälfte da­von konnte im selben Jahr Getreide ange­pflanzt werden. Der Rest blieb brach, oder man setzte Kartoffeln. Oft engagierten die Leute eine zusätzliche Hilfe.

Man begann jeweils am oberen Ende des Ackers, abwechslungsweise ein Jahr rechts und ein Jahr links. Wurde von links nach rechts ghowwut, umfasste man mit der linken Hand den Stil der Howwa unten und mit der rechten Hand oben. Brach man von rechts nach links um, war die Handhabung umgekehrt. Es galt als grosse Unkenntnis, wenn jemand bei dieser Arbeit die Haue verkehrt ergriffen hatte. Die Leute nannten es: uber d Hand howwu. Die Seite mit dem grösseren Grenzabstand zeigte an, wo man im vorange­gangenen Jahr aufgehört hatte und folglich beginnen musste. Das Umbrechen geschah im sogenannten Kreuzstreich, aber nur einen Streich tief. Man führte abwechslungsweise einen Streich in Längsrichtung von oben nach unten, den nächsten quer von der Seite, prak­tisch rechtwinklig zum vorherigen. Daher wohl auch die Bezeichnung Chriizschtreich. Mit jedem Streich fasste man eine 10-15 cm dicke Erdschicht und legte sie auf die andere Seite der Furche, und zwar möglichst nach oben, damit die fruchtbare Erde nicht nach unten glitt. Die Erdschicht jedes Streiches wurde untereinander abgelegt, das im Gegen­satz zum Umbrechen beim Kartoffelsetzen. Sehr wichtig war, dass jede Erdschicht gleich­zeitig mit dem Darlegen in einem Zug umge­dreht wurde. So kam allfälliges Unkraut nach unten und konnte besser verfaulen. Bevor man eine neue Furche begann, schob man mit der Haue den Mist in den entstandenen Gra­ben. Eventuelle Schollen zerkleinerte man und ebnete die Oberfläche aus. So arbeitete sich der Howwer hangabwärts vom oberen Ende zum unteren vor und begann dann wieder oben. Bei grösseren Äckern waren oft mehre­re Arbeiter gleichzeitig am Werk. Dann be­gann der älteste oben und übergab weiter un­ten an den jüngeren.

Klaus Julen, S. 78 f.
VS, 16. 11. 13

Aussaat

Nach Mitte August erfolgte die Aussaat, Seeju, des Getreides. Der Bauer warf das Saatgut bei aufgehendem Mond aus, mit Vorteil nach Re­gen, damit es nicht vertrocknete. Die Bauern achteten darauf, ja nicht an Hundstagausgang (28. August) zu säen. Sie waren der Meinung, wenn man genau die Stunde ergreife, gehe kei­ne Saat auf. Der Sämann lud die Saatkörner in einen Tuchsack, der an einem Strick um die linke Schulter hing. Die Öffnung zeigte nach vorn. Er begann oben, schritt der Ackergren­ze entlang und säte auf einer Breite von ca. ei­nem Meter. Dann ging er zwei bis drei Meter nach unten, nahm eine Handvoll Körner und warf sie mit der rechten Hand in drei Zügen nach oben aus. Anschliessend rückte er ein paar Schritte vor und wiederholte den Vor­gang. War er an der Seite des Ackers ange­langt, ging er wieder zwei bis drei Meter nach unten. Der gleiche Arbeitsgang wiederholte sich bis ans untere Ende des Ackers. Zuletzt säte er der unteren Ackergrenze entlang und seitwärts, um eventuelle Lücken zu füllen. Hatte er fertig gesät, griff er wieder zur Howwa, deckte den Samen mit einem kleineren Streich, einem SchepfJi, zu und zeichnete in eine Ecke des Ackers mit der Haue ein Kreuz in die Erde. So stellte er sei­ne Aussaat unter den Schutz Gottes und hoff­te auf eine gute Ernte. Missernten wegen schlechten Wetters (Frost, Trockenheit, über­mässiger Regen, früher Schneefall) trafen die kinderreichen Familien hart.

Das Säen wollte gekonnt sein. Wenn man zu dicht säte, erhielt man viel Stroh, aber wenig Getreide. Das kam wohl selten vor, da die Leute mit den Samenkörnern sparsam umgin­gen. Umgekehrt bekam das Unkraut viel Luft. Nach etwa 14 Tagen brach die Saat durch und bildete ca. 10 cm langes, dunkelgrünes Gras, aber noch keinen Halm. Bei Einbruch der Käl­te wuchs die Saat nicht mehr. Sie überwinter­te unter dem Schnee. Wichtig war, dass die Erdkruste gefror, sonst bestand die Gefahr des Absterbens. Schneearme Winter waren also besser für einen guten Ertrag. So gab es Leu­te, die nach einem frühen, grossen Schneefall über die Äcker liefen, um das Gefrieren des Bodens zu ermöglichen. Lag im Frühjahr noch viel Schnee, so streuten die Bauern Asche, um das Ausapern zu beschleunigen. Von der Schneeschmelze bis zur Ernte bedurfte das Getreide keiner Pflege mehr, denn es wurde in der Regel nicht bewässert.

Öfter säten die Bauern erst um Allerheiligen herum das sogenannte Schlafkorn. Eigentlich tat man das auf Äckern, auf denen man als Vorfrucht Kartoffeln gepflanzt hatte. Die ver­spätete Reife und Ernte verunmöglichten eine Aussaat des Roggens im August. So musste bis in den November gewartet werden. Das Saatgut durfte vor Wintereinbruch nicht kei­men. Es war der gleiche Samen, aber grössere Körner. Aber auch aus witterungsbedingten Gründen oder infolge Arbeitsüberlastung waren die Bauern gelegentlich gezwungen, Schlafkorn zu säen.

Einige wenige Familien säten beispielsweise in Findeln etwas Sommerroggen. Sie setzten den Samen im Winter angefeuchtet der Kälte aus und brachten ihn im Frühjahr aus. Daher auch die Bezeichnung Gefrierkorn. Die Körner sollten durch diesen Vorgang widerstands­fähiger werden. Eher selten baute man im Frühjahr Gerste an. Das Gerstenmehl diente vorwiegend als Gläkk für die Tiere. Aller­dings sollen die Körner in früheren Jahr­hunderten geröstet als Kaffee-Ersatz gedient haben.

Julen, S. 79, ff.
VS. 16. 11. 13
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