FeldarbeitWiesen / Weiden

ileggu / itüe

[Einbringen des Heus]

Wenn das Gras gemäht und verteilt war, blieb es bei uns mindestens einen vollen Tag liegen. Waren die Verhältnisse gut und das Heu trocken genug, konnten es die Bauern eintragen, es wurde ingleit. Da es damals noch keine Sommerzeit gab, begann man schon vor zwölf Uhr mit der Arbeit. Das bedeutete, dass die Leute oft schon vor elf Uhr zu Mittag assen. Zuerst prüfte man, ob das Heu trocken genug war, ob es rüüschut. War das der Fall, fing man mit dem Zusammenrechen an, andernfalls musste man das Heu zuerst wenden, cheere. War zwischen dem Mähen und dem Eintragen des Heues ergiebig Regen gefallen, wurde das Heu braun, drohte zu verfaulen und verlor an Nährwert. Dann musste es auf alle Fälle gewendet werden, weil der Boden und damit das Heu auf der Unterseite nass waren. Es gab nichts Schlimmeres, als wenn die Sonne das Heu mehrmals trocknete, frühe Regengüsse ein Eintragen aber verhinderten. Es taugte nicht mehr als Futter. In besonders schlechten Jahren soll es vorgekommen sein, dass man anfangs August gemähtes Heu Ende des Monats auf der Wiese verbrannte.

Mit dem Holzrechen wendete man das Heu, und zwar so, dass die untere Seite direkt von der Sonne beschienen werden konnte. Dann wartete man eine bis anderthalb Stunden, bis die feuchten, grünen Stellen richtig getrocknet waren. War das der Fall, konnte die Bauerfamilie das Heu zusammenrechen und dann wischschu. Bei diesem Arbeitsvorgang wurde es mit dem Rechen gegen die Beine gezogen, so dass ein festes, kleines Bündel entstand, ein Wisch. Unsere Grosseltern trugen das Heu noch mit der Chamma, einem Holzgestell mit einem Seilzug. Sie ermöglichte ein sicheres und bequemeres Tragen auf den Schultern. Es gab ein paar wenige Zermatter Bauern, die an Stelle einer Chamma ein Doppelseil gebrauchten. Gegenüber der Chamma hatte es den Vorteil, dass es handlicher zum Mitnehmen war. Verglichen mit dem einfachen Seil gewährte es eine grössere Sicherheit. Die Gefahr, dass ein Heubündel auseinanderfiel, bestand praktisch nicht. Mit der Zeit löste das einfache Heuseil, das Triegelseili,  die Chamma ab. An einem Ende des Seiles war ein keilförmiges Holzstück befestigt, das auf einer Seite in einer Spitze endete und in der Mitte eine Öffnung aufwies, durch die das Seil gezogen wurde. Dieses Holzstück nannte man die Triegja. Das Seil wurde nun, wenn möglich in ansteigendem Gelände, ausgelegt. In leichter Hanglage war das Aufstehen mit dem Heubündel einfacher. Der Bauer steckte die Triegja mit der Spitze in den Boden. Auf das gestreckte Seil schichtete er fachgerecht acht bis zehn Wischscha, je nachdem,  wie schwer ds Hew gladet hed. So entstand die Burdi, ein grösseres Heubündel. Das Seil wurde nun durch die Öffnung der Triegja geführt, möglichst straff angezogen und daran verknüpft. Ein gutes Laden und  Binden war unerlässlich, da sonst die Gefahr bestand, dass die Burdi beim Tragen auseinanderfiel. Das war für den Betroffenen mit Spott verbunden. Beim Laden achtete man darauf, nicht zu überladen. Als Faustregel galt: Wenn der Träger beim Binden das Heubündel ohne grosse Kraftanstregung auf die Knie hochheben konnte, war er imstande die Burdi zu tragen.

War die Scheune weit entfernt, so schnitt der Träger mit dem Sackmesser seitlich des Seiles ein Höüdloch, um das Tragen auf Kopf und Schultern zu erleichtern. Ging man über eine Matte, von der das Heu bereits eingetragen worden war, durch fremdes Wiesland oder über Wege, wurde die Burdi vorher sorgfältig abgmacht. Mit dem Rechen entfernte man das lose Heu, damit unterwegs nichts verloren ging. Wie erwähnt wurde das Heu getragen. Es gab nun Träger, die eine Burdi in einem Zug ohne fremde Hilfe auf die Schultern zu heben vermochten. Die meisten waren aber froh, wenn ihnen jemand dabei half. Man zog zuerst das Höüdtüech an, setzte sich mit dem Rücken zur Burdi, den Kopf im Höüdloch und packte das Seilende bei der Triegja. Der andere hob das Bündel Heu leicht an, man nannte es schtosse, so ging das Aufstehen leichter.

Der Bauer trug nun das Heubündel zum Stall und über eine Leiter in die Scheune. Dort wurde es gizettet. Diese Arbeit führten, wenn genügend Leute anwesend waren, die älteren Kinder aus. Sie lösten das Seil und verteilten die vorher gebildeten Wischscha sorgfältig in der Scheune, gut den Wänden entlang und nicht unter der Giebelöffnung. Zum Schluss stampfte man das Heu durch Darüberlaufen, nötigenfalls auch auf den Knien. Es wurde gschtorrut. So blieb genügend Platz in der Scheune, um alles Heu einzutragen. Ausserdem erreichte man aber dadurch einen festen Heustock. Wenn in einer Scheune nacheinander viel Heu eingetragen worden war, fing es in den folgenden Tagen an, sich im Innern zu erwärmen, es begann zu gären. Während dieser Zeit wurde der Heustock nicht betreten und folglich kein zusätzliches Heu eingetragen. Sonst konnte der Duft nicht entweichen, es "erschtickte", und das führte zu "grauen" Schichten. War die letzte Burdi in der Scheune, lud man auch die übrig gebliebenen Reste, die Nârächchete, in ein Tuch aus Matratzenstoff und knüpfte dieses übers Kreuz. Man achtete auf sauber ausgeführte Arbeiten. Unter Umständen dauerte das Eintragen bis zum Sonnenuntergang. Deshalb legten die Leute im Laufe des Nachmittags eine Pause ein, um etwas z’Abend zu essen. Überhaupt war die Heuernte eine schweisstreibende Arbeit. Man nahm folglich genügend zu trinken mit: Mehlsuppe, Kaffee, Tee mit Wein oder Wein mit Wasser vermischt, jede Familie hatte da ihre eigenen Gewohnheiten. Gab es in einem Jahr besonders viel Heu, konnte es schon vorkommen, dass nicht alles in der Scheune Platz fand. Man schichtete den Rest unter einen Stadel oder unter einen Baum. Der Bauer gab dieses Heu im Winter dem Vieh als erstes zu fressen oder zog es auf einem Schlitten zu den näher gelegenen Ställen.

Einer über lange Jahre hinweg gepflegten Gewohnheit folgend, verpflichteten viele Familien für die Heuernte Gehilfen aus andern Gegenden des Oberwalllis (Goms, Sonnenberge, Visperterminen). Da in diesen Gebieten die Heuernte früher zu Ende war, kamen diese "Knechte". wie man sie etwas eigenartigerweise nannte, von etwa Mitte Juli nach Zermatt. Gegen freie Unterkunft und Verpflegung und einen bescheidenen Lohn halfen sie mit bei der Heuernte.

Noch ein Wort zum Heuen am Sonntag. Es konnte vorkommen, dass die ganze Woche schlechtes Wetter war, viel Heu auf den Wiesen lag und dass ausgerechnet am Sonntag schön war. Da erlaubte der Pfarrer auf Anfrage hin, das Heu am Sonntag einzutragen. Es war wirklich eine Ausnahme und kam nur alle zehn bis fünzehn Jahre vor. Die Bauern entrichteten dafür freiwillig einen symbolischen Betrag von 2 Franken an die Kirche. Zum Eintragen von Heu oder Emd an kirchlichen Feiertagen schrieb Pfarrer Ruden um 1865 wörtlich:

Wenn schlechter Witterung halben an gebothenen Tagen Heu oder Emd eingelegt wurde, so pflegte für jede Bürde 5 Centimes für die Kirche gezahlt zu werden.

Julen Klaus

Wildheuen in St. Antöinien (Walserort im Prättigau):

http://www.youtube.com/watch?v=DevNG__wUbE

Das gemähte und verteilte Gras blieb mindestens bis zum nächsten Tag liegen, je nach Wetter auch länger. Wenn das Heu unter den Füssen knisterte, konnte es eingetragen werden. War die Unterseite noch leicht grün oder nass, oder wenn zwischendurch Regen fiel, musste das Heu zu erst gewendet, kcheert werden. Mit dem Holzrechen wurde das Heu so umgelegt, dass die noch nicht dürre oder nasse Unterseite der Sonne zugekehrt wurde. Nach ungefähr anderthalb Stunden konnte dann mit dem Iitüe begonnen werden. Das Heu wurde zusammengerechnet (zämugrächnot) und gwischschut. Dazu wurde es mit dem Rechen gegen die Beine gezogen und angedrückt, so dass ein festes Bündel, eben ein Wisch entstand.
Auf einer, vorher vom Heu befreiten, Fläche wurde anschliessend das Heuseil ausgelegt, das Holzstück am Seilende, die Triegia immer hangwärts. Die Triegja war ein keilförmig auslaufendes Holzstück, mit einer Öffnung in der Mitte, durch die das Seil durchgezogen werden konnte. Bei der Triegja, beginnend wurde dann Wisch um Wisch, schön gleichmässig zu einem Heubündel, einer Burdi auf dem Seil aufgeschichtet. Für eine Burdi brauchte es, je nach Stärke des Trägers, 8 bis 10 Wischa.
Zum Binden wurde das Seil durch die Öffnung der Triegja hindurch nach vorne gezogen und am Schluss um den keilförmigen Teil der Triegja festgezurrt. Waren die Wischa nicht sorgfältig aufgeschichtet oder wurden beim Binden Fehler gemacht, konnte es vorkommen, dass beim Aufnehmen der Burdi diese auseinanderfiel. Dann musste mit der ganzen Arbeit wieder begonnen werden. Bevor der Träger die Burdi aufnahm, wurde diese mit dem Rechen von losem Heu abgmacht (gesäubert) damit unterwegs ja kein Heu verloren ging. Der Träger stülpte sich das kapuzenförmige, aus einem Stoffsack gefertigte, Heutuch (Hewwtüech, Hewwertüech) über. Zum Aufnehmen stellte oder setzte sich der Träger mit dem Rücken zur Burdi, fasste mit der rechten Hand nach dem Seilteil am breiten Ende der Triegia, steckte den Kopf ins Kopfloch und zog mit einem gekonnten Schwung die Burdi auf seinen Kopf. Am Hang ging dies recht mühelos, in ebenem Gelände musste jemand schtoossu (nachhelfen). Auf Kopf und Nacken aufliegend, wurde die Burdi dann nach der Scheune getragen und über die Leiter durch den Giebel in die Scheune geworfen.
Die Aufgabe von uns Kindern war es dann, das Seil zu lösen und an den Träger zurück zu geben, damit dieser die nächste Burdi abholen konnte. Anschliessend musste das Heu in der Scheune gleichmässig verteilt werden. Um einen festen Heustock zu erhalten, wurde das verteilte Heu durch darüber laufen gestampft, notfalls auf den Knien, vor allem den Wänden entlang. Nach der letzten Burdi wurden die verbliebenen Überreste in einem Heutuch, meistens aus Matratzenstoff, gesammelt. Das Iitüe wurde meistens gegen Mittag begonnen und konnte bis in den Abend dauern. Deshalb wurde gegen 16 Uhr eine Pause eingelegt um etwas zu essen. Dies war der angenehmste Teil des Tages.
Das Heuen war eine strenge und schweisstreibende Arbeit. Besonders die Träger waren am Abend hundsmüde. Mit etwa 12 Jahren habe ich mit dem Heutragen begonnen. Vorerst mit 4 -5 Wischa, dann immer mehr, stolz, es dem Vater und den älteren Brüdern gleich zu tun. Die Arbeit in der sengenden Hitze machte durstig. Zum Trinken gab es Tee oder einen Sirup, für die Erwachsenen gelegentlich auch den Hewwerwii (einen billigen Landwein)
Das Einbringen von Heu an Sonntagen war grundsätzlich nicht gestattet. Spielte das Wetter während der Woche verrückt und war das Heu dann ausgerechnet am Sonntag zum Eintragen bereit, erteilte der Pfarrer während des Hochamts eine Ausnahmebewilligung. Waren dann alle Matten im Wickert, im «Holzji» und in den «Stützen» geerntet, mähte der Vater noch die Ackerränder, den Wegen entlang, kurz überall, wo noch etwas an zusätzlichem Heu zu gewinnen war. Jeder auch noch so kleine Flecken wurde genutzt um zusätzliches Futter für den Winter sicherzustellen. Ich kann mich erinnern, dass er sogar auf dem Sand, bei der Saltina unten noch mähte. War im Tal das letzte Heu eingebracht, ging es zum Heuen in die Voralpen «Risegga» und Unternesseltal. In guten Jahren konnten sogar in der Hochalpe Obernesseltal einige kleine Flächen für die Ihanni zum Heuen gemäht werden.

Rudolf Kronig
VS, 19. 9 . 2011
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