ViehzuchtArbeiten rund um's ViehChrissu

Chrissu in Zeneggen (VS)

Ein Krebsschaden der Walliser Waldwirtschaft ist die rücksichtslose Ziegen und Schafweide in den Wäldern. Noch viel schädlicher ist aber die übertriebene Streuenutzung. Für den zahlreichen Viehstand ist viel Streue notwendig. Das Getreidestroh genügt nicht oder wird verfüttert oder als Bettstroh verwendet; anderes Streuematerial ist keines vorhanden. Da und dort wird im Herbst das saure, harte Gras der Magerwiesen, «Buschga» genannt, geschnitten und als Streue benützt. Die meiste Streue muss aber der Wald liefern. Die abgefallenen Nadeln, das Moos und der Humus des Waldes werden mit kleinen, eisernen Adlerrechen mit eng aneinanderstehenden, gekrümmten Zinken und kurzem, hölzernem Stiel auf dem Erdboden, zwischen den flach verlaufenden Wurzeln der Bäume und in den Vertiefungen auf den Knien zusammengerafft und so der Boden und die Pflanzen des Schutzes beraubt und den Bäumen die wichtigste Nahrung entzogen. Die gesammelte Streue wird in grossen Rückenkörben («Chris-Tschifferen») haufenweise nach Hause geschafft (Fig. 80) und als Streue benützt. Jeder sucht soviel als möglich zusammenzuscharren, einer dem andern zuvorzukommen; keiner will zu kurz kommen. So wird eine elende Raubwirtschaft getrieben. In Zeneggen werden in dem Gemeindewald von den einzelnen Bauern im Sommer, wenn die Streue trocken ist, ausser der vorweg heimgetragenen Streue, zahlreiche 2 ½ - 4 m hohe, runde Haufen (Fig. 81) im Durchmesser von 3-4 m gemacht. Jede Haushaltung errichtet ein bis zwei solche Haufen, und im ganzen werden es im Herbst im Zenegger Gemeindewald über 80 sein. Damit die gesammelte Streue an dem Haufen nicht verrutscht oder vom Wind verweht oder von den Ziegen und Schafen zertreten wird, wird mittels Tännchen und Ästen ringsherum eine Art Zaun errichtet. Manches junge, hoffnungsvolle Bäumchen wird unbarmherzig umgehauen und zur Befestigung des Haufens benützt und so der Wald direkt geschädigt. Dieses Deckholz wird im Winter mitsamt der Streue und der angefrorenen Erde auf Schlitten nach Hause transportiert.

Auszug aus: Stebler F.G., „Die Vispertaler Sonnenberge", Jahrbuch der Schweiz, 56. Jahrgang, Schweizer Alpenclub, Bern, 1921, 56. Jahrgang, Schweizer Alpenclub, Bern, 1921
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