Sprichwort & Redensart

Erfahrig & Bispiil

[Erfahrung & Beispiel]

Bei dieser Gruppe müsste eigentlich die Diskussion um die Definition des Sprichwortes einsetzen, denn diese Gruppe enthält Sprichwörter, die aus einer Erfahrung, einer oft simplen Feststellung bestehen, ohne jegliche Ambition jemanden zu belehren. Es wird also die lehrhafte Tendenz in Frage gestellt. Die lehrhafte Tendenz ist hier nicht so offensichtlich vorhanden, wie sie es z. B. bei der Warnung oder dem Ratschlag ist, sie wirkt eher durch die Erfahrung, die sie vermittelt. Sprichwörter dieser Gruppe wirken beispielhaft, also indirekt: Ledigi Liit, luschtigi Liit, gseet Mul schi nit, keert mu' schi wiit. Die Erfahrung, die Tatsache, dass die Jugend lustig, fröhlich und damit in ihrer Fröhlichkeit manchmal überlaut ist, soll Leuten, die sich daran stossen, zeigen, dass das nun einmal der Lauf der Dinge ist.

Wie verwandter, wie verdammter. `Nie verwandter, wie verdammter'. Hier finden wir eine nicht ganz wörtliche Übersetzung bei Wander,I-V/1618/1: "Je näher verwandt, je feinder einand." (vgl. Lipperheide, 941). Die Bedeutung bezieht sich hier mal erstens auf die Blutsverwandten.:(es gibt nirgends mehr Streit als unter Verwandten) aber dann bezieht sich das Sprichwort auch auf die Umgebung, die Nachbarn.

Vill will mee. Viel will mehr. Varianten: Vill schryt nach mee. Viel schreit nach mehr. Vill ha, heischt mee. Viel haben, heischt (verlangt) nach mehr. Wer schon viel besitzt, der strebt nach noch mehr; der Mensch hat nie genug.

Voglo friss old verdirb. Vogel friss oder stirb. Wie im Hochdeutschen ein eindrücklicher Rat sich den aktuellen Gegebenheiten zu stellen.

Mee wa ds Ässu und ds Gwandji het nit ds riichtoscht Mannji. Mehr als Essen und Gewand (Kleidung) hat nicht der reichste Mann. Hier wird über die Relativität des Reichtums gesprochen; wer lernt, mit dem auszukommen und zufrieden zu sein, was er hat, der hat genug.

Mu pchännt du Vogil am Gsang und du Mänsch am Gwant. Man erkenn den Vogel an seinem Gesang und den Menschen an seinem Gewande. (Wander, II/1240/17). Den Menschen erkennt man an seinem Äusseren, seinen Charakter durch seine Taten.

Vill Gschrei, wenig Wolla. Viel Geschrei und wenig Wolle. Viel Geschrei um nichts.

Va främdum Späck ischts Liechts breiti Riemme z schniidu. Von fremdem Speck ist es ein Leichtes, dicke Stücke abzuschneiden. (Wander 1/477/235) Mit fremdem Gute lässt es sich leicht grosszügig zu sein. Dieser Vorwurf wird manchmal auch den Linke für ihre Sozialpolitik (Umverteilung) gemacht.

Früe sattlu, spaat zwäggaa. Früh satteln, spät losgehen. (Wander, 4/5/6). Für Leute, die mit ihrer Arbeit nicht vorwärts kommen; auch Faule, die den Anschein von Fleiss erwecken wollen. Variante: ... riitu.

Am Aabunt wirt der Füüle flissig. Am Abend wird der Faule fleissig. (Wander, 1/9/6)

Früe üff, spaat nit. Früh auf, spät ins Bett. (Wander, 3/1023/1) In der Bedeutung in erster Linie mit dem Hintergedanken: "willst du es zu etwas bringen"; man muss fleissig sein und dazu gehört der ganze Tag. Es kann aber mit dem Zusatz: ... friss gschwint und schaff wider; auch als Kritik an einem allzustrengen Patron gemeint sein.

Ds Gfrässna, ds Vergässna. Das Gefressene ist das Vergessen. (Wander, 1/1161/14). Was man gehabt hat, vergisst man leicht und wird undakbar. Dieses Sprichwort richtet sich an die Undankbaren. Varianten: ... ds Gässna; Ischts gfrässus ischts vergässus.

Schwaarz giboru, alls Wäschu verlooru. Schwarz geboren ist alles Waschen verloren. (Wander, 1/1385/20). Gewissen Dinge lassen sich einfach nicht ändern, vor allem gegen Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens. Varianten: Tumm giboru, als Leerru verlooru. Dumm geboren ist alles Lernen verloren. Als Scherzrede ist eher die folgende Variante aufzufassen: Tumm giboru und nix derzüegleert (und der Räscht no vergässu). Dumm geboren und nichts dazugelernt (und den Rest noch vergessen).

Wie gloorter, wie verchoorter. Wie gelehrter, wie verkehrter. (Wander, 1/1532/13). Der Gebildete, Gelehrte versagt oft in der praktischen Arbeit, in der alltäglichen handwerklichen Arbeit.

Ds Gmeina ischt ds Ureina. Das Gemeine ist das Unreine. (Wander, 1/1543/3). Gemeinsamer Besitz führt oft zu Streit.

We mu gsunt ischt, feelt eim mängerlei, we mu chrank ischt, nummu eis. Wenn man gesund ist, fehlt einem vielerlei, wenn man chrankt ist, fehlt einem nur eines (nämlich die Gesundheit). (Wander, 1/1636/1). Die vielen kleinen Sorgen des Alltags sind blitzschnell verschwunden, wenn man ernsthafter krank oder invalide wird.

Ds Hämmli liit neecher wa der Rock. Das Hemd liegt näher als der Rock (Jacke). (Wander, 2/499/3) Was den Einzelnen persönlich angeht, triff ihn mehr als fremde Angelegenheiten.

Di biissundu Hint träägunt am meischtu zerschrissni Oorini. Die beissenden Hunde tragen am meisten zerschrissene Ohren. (Wander, 2/821/67). Variante: Di greegschtu Ringchie träägunt am meischtu Schurpfa. Die grössten Ringkühe (Kampfkühe) tragen die meisten Schürfungen (Hornvereltzungen). Wer Streit sucht, muss meisten selber am meisten büssen.

An era güetu Hüssfroww chalbjot der Späck im Spiicher. Einer guten Hausfrau kalbert der Speck im Speicher. (Wander, 1/1120/335). Einer wirtschaftlichen, sparsamen Frau scheinen sich die Vorräte zu vermehren.

Was nit ischt, cha no wäärdu. Was nicht ist, kann noch werden. Ausdruck des Optimismus, der Zuversicht (Wander, 4/522/60)

Hundert Jaar as Chalp, git nie an Chüe. Hundert Jahre ein Kalb, gibt nie eine Kuh. (Idiotikon, III/88: En 20 järigs Chalb git kein gschiidi Chue me.). Was man in der Jugend nicht gelernt hat, lernt man im Alter nicht mehr.

Ds Schüemachersch Chint träägunt di schlächtoschtu Schüe. Des Schuhmachers Kinder tragen die schlechtesten Schuhe. (Wander 4/361/7). Wo es eigentlich am besten gelingen sollte, gedeiht die Sache nicht. Ähnlich ist das hdt. Sprichwort: Des Lehrers Kinder und des Pfarrers Federvieh geraten selten oder nie.

Uff as Lache chunt as Flänne. Auf ein Lachen folgt ein Weinen. (Wander, 2/1742/5). Nach guten folgen auch schlechte Zeiten.

Jedum Lappi, schiis Chappi. Jedem Narren seine Kappe. (Wander 2/1791/9). Jeder Mensch hat das Recht auf seinen eigenen Geschmack (vor allem bezieht es sich auf die Kleidung).

Der Loser an der Want kcheert schiini eigunt Spott und Schant. Der Horcher an der Wand hört seine eigene 'Spott und Schande'. (Wander 2/775/1). Über Abwesende wird ganz anderst gesprochen als über Anwesende. Will man wissen was die Leute über mich denken, muss ich sie belauschen.

Näbu dum a güetu Ma ists liechts as güets Wiip z sii. Neben einem guten Manne ist est ein Leichtes ein gutes Weib zu sein. (Wander, 3/389/642; "Ein guter Mann macht eine gute Frau"). Bedeutung: wörtlich, besonders das Materielle betreffend; ein sparsamer, arbeitsamer, haushälterischer Mann macht eine ebensolche Frau. (Sagt das Sprichwort! sic. die Redaktion).

Was der Ma mit Ross und Wago züefierre, chänne d Frow im Forscher fortträägu. Was der Mann mit Ross und Wagen hereinfahre, könne die Frau in der Schürze forttragen. (Wander, 1/1114/221). Eigentlich im Widerspruch zum obigen: eine Frau, die nicht haushalten kann, verschleudert mehr Güter, als sie der Mann mit seiner Arbeit zu erwerben vermag.

Letzte Bearbeitung: VS, 4.2.19

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