Sprichwort & Redensart

Warnundi Sprichwerter

[Warnende Sprichwörter]

Das Sprichwort will die Menschen vor einer Situation, Handlung warnen, es will dem Menschen kommende Gefahren zeigen, ihm sagen "pass auf!".

Der Mensch wird vor Kommendem gewarnt, das Sprichwort übernimmt also eine pädagogische Aufgabe, d.h. es besitzt eine direkte lehrhafte Tendenz. Die Warnung kann speziell auf einen konkreten Fall zugeschnitten: Heiratu' Vogolti, de  vergeit der ds Pfiiffu. 'Heirate nur, dann wirst du ruhiger werden und dich einschränken müssen.' oder allgemein erfolgen:  Wes güet gee, gäbes in der Ee Chriiz und Liidu, wes schlächt gee,  mäges der Tiifil nit erliidu. bildet eine ganz allgemeine Warnung, die Ehe nicht auf die leichte Schulter zu nehmen

Verdäärbu will Raat ha. 'Verderben will Rat haben'.  Bei Wander, IV/1535/21: "Verderben will Rath han." Die Bedeutung dieses Sprichwortes scheint nicht mehr ganz klar zu sein: alles Unheil beginnt bei einem Rat, meinen die einen, oder willst du in einer Arbeit, einer Sache versagen, soll dir ein Werk nicht gelingen, dann tue nur das, was man dir rät.

We d Aarmüet zer Poort i chunt, fleigt d Liebi zum Pfeischter üss. Wenn die Armut zur Türe hereinkommt, fliegt die Liebe zum Fenster aus. Bei Wanden, 1/144/175: "Wenn Armuth zur Thür eingeht, fliegt die Liebe zum Fenster (Tempel) hinaus."(Vgl. auch Seiler: 154.) Die Liebe ist vom mate­riellen Wohlergehen abhängig; ein Erfahrungssatz, den uns das Sprichwort noch in anderen Variationen geben wird.

Ds Ei will immer gescheider si, wa d Hänna. Das Ei will immer klüger sein als das Huhn. Dieses Sprichwort tadelt die Jungen, die vorwitzig, arrogant sich über Erfahrung, Erkenntnis hinwegsetzt; es ist töricht, wenn die Kinder klüger sein wollen, als die Eltern.

Eigulop stiicht. Eigenlob stinkt (Wander, I/773/7; Lipperheide, 141) Wer sich selbst rühmt wird suspekt, dem nimmt man seine Leistung, derer er sich rühmt, nicht ab. Humorvoll wird manchmal auf diesen Vorwurf repliziert: Sälber schee meinu, d andru meinunt de schoo weniger. Selber viel von sich halten, die anderen halten dann schon weniger von dir: man muss sich selbst in ein gutes Licht rücken, die anderen werden deine Tat dann schon schmälern.

Mu mäge alls erliidu, als di güetu Tägg nit. Man kann alles erleiden, allein die guten Tage nicht. (Wander, I/843/2)  Wenn es einem gut geht, wird man übermütig, unvorsichtig. „Ist es dem Esel zu wohl, begibt er sich aufs Eis“.

Wie verwandter, wie verdammter. Wie verwandter, wie verdammter. (Wander, IV/1618/1; Lipperheide, 941) Dieses Sprichwort bezieht sich zuerst einmal auf die Blutverwandten (es gibt nirgend mehr Streit, als unter Verwandten), dann aber auch auf die Umgebung, die Nachbar, auf Leute, die dem Sprecher im wörtlichen wie übertragenen Sinne „nahe“ stehen.

Vill will mee. Viel will mehr. (Wander, IV/1634/1) Wer viel hat, will mehr haben. Dieses Sprichwort warnt vor der Gier der Menschen, materielle Werte allein können den Menschen nie befriedigen; besonders aktuell ist es in der ganzen Bonidiskussion.

Di biissundu Hint träägunt am meischtu zerschrissni Oorini. Beissende Hunde tragen am meisten zerschrissene Ohren. (Wander, II/821). Variante: Di greegschtu Ringchie träägunt am meischtu Schurpfa. Die stärksten Ringkühe (Walliser Kampkühe, Eringerrasse) tragen am meisten Streifwunden.

Vogil friss old verdirp! Vogel friss oder stirb. (Wander I/1162/26). Wer überleben will muss kämpfen. Man muss sich mit den Realitäten auseinandersetzen und sich dort zurechtfinden, sonst geht man unter.

Äss ischt kchei Vogil no so hoo gflogu, är hei nit Bodo bizogu. Es flog kein Vogel noch so hoch, er habe nicht wieder den Boden erreich (bezogen). (Wander 1/1069/3). Sinngemäss drückt dieses Sprichwort das Gleiche aus wie: Hochmut kommt vor dem Fall. Varianten: ... ooni Fäcka, är sii nit amap gfallu in di Dräcka; ... ohne Federn (!, des Reimes willen), er sei nicht zurück in den Dreck gefallen; ..., är sii nit zrugg cho, ..., er sei nicht zurück gekommen.

Kchei Freit, kchei Leit. Keine Freude, kein Leid. (Wander 1/1168/86). Wer die Freude nicht kennt, kennt auch das Leid nicht. Oder alles Glück ist auch mit Leid verbunden.

Ass Ross und a Froww selle mu nie antleennu. Ein Ross und seine Frau soll man nie ausleihen. (Wander 1/1123/394) Was einem besonders wertvoll ist, darf man nicht ausleihen, denn alles was man ausleiht unterliegt der Gefahr der Beschädigung. Varianten: ... ass Auto; ... ass Welo (Fahrrad); ... an Streel (Kamm); ... Fäderhaalter (Federhalter).

We mu de Liit der chlei Finger git, welluntsch di ganzi Hant. Gibt man den Leuten den kleinen Finger, wollen sie die ganze Hand.

Miessigi Fingra macht as seers Hindra. Müssige Finger (keine Arbeit, Faulheit) macht einen versehrten Arsch. 

Nit vill Gäält, nit vill wäärt. Nicht viel Geld, nicht viel wert. (Wander, 1/1504/847), wer nichts besitzt, gilt nichts.

An riiche Giizhals und ass feissts Schwii heint eersch Wäärt naa dum Toot. Ein reicher Geizhals und ein fettes Schwein haben erst nach dem Tode einen Wert. (Wander, 1/1457/3)

Äss ischt nit alles Golt wa glänzt. Es ist nicht alles Gold, was glätzt. (Wander, 1/1789/47). Sich nicht vom äusseren Schein blenden lassen.

Gweegts und gmässus ischt baalt gässus. Gewogen und gemessen ist rasch gegessen. (Wander, 1/1677/3).  Wer von der Waage leben muss (d.h. alles  Einkaufen und nicht selber produzieren, Arbeiter-, Nebenerwebbauer) der muss darben.

Haar und Schado waxunt alli Tago. Haar und Schaden wachsen alle Tage. (Wander. 2/219/59) Schaden, Unglück und Verderben kommen automatisch.

Äs ischt liechts an hipschi Frow z heiratu, aber scha hipschi z erhaaltu ischt schweer. Es ist eine leichtes eine hübsche Frau zu heiraten, aber sie hübsch zu erhalten ist schwer. (Wander, 1/1121/354)

Der Hetti und der Welti sind Brieder gsii. Der Hätt-ich und der Wollt-ich sind Brüder. (Wander, 2/386/4); Variante: ... zwei aarmi Mannu. ... beidi in der Hell. ... beidi nix (gliichvill) kcha.

Va der Hipschi het mu nit gässus. Von der Schönheit hat man nicht gegessen. (Wander, 4/324/124: Von der Schönheit kann man nicht leben. Idiotikon, 2/968: Von der Hübschi allei hätmen nit gläbt.).  Die Frau muss neben ihrer Schönheit noch andere Fähigkeiten (Hausfrauentüchtigkeit) in die Ehe bringen.

Hitzig ischt nit witzig. (Wander, 2/687/2). Hitziges, unüberlegtes, überhastetes, emotionales Handeln ist nicht klug.

Di biissundu Hint träägunt am meischtu zerschrissni Oorini. Die beissenden Hunde tragen am meisten zerschrissene Ohren.  (Wander, 2/821/67). Wer Streit sucht, muss am meisten dafür büssen.

Di greegschtu Ringchie träägunt am meischtu Schurpfa. Die besten Ringkühe (Kampfkühe, Stechkühe) tragen am meisten Schürfungen. Variante von oben: Wer Streit sucht, muss am meisten dafür büssen.

A schuppo Hint sint ds Hasusch Toot. Viele Hunde sind des Hasens Tod. (Wander 2/860/984). Ein Problem, eine Kleinigkeit lässt sich leicht verkraften, doch summieren sie sich, werden sie unüberwindlich.

Ischt d Chatz uss dum Hüss, so tanzot d Müüs. Ist die Katze aus dem Haus, dann tanzt die Maus. (Wander 2/1180/266). Fehlt die Autorität, ist die Ordnung dahin.

Chleini Chint, chleini Soorge, groossi Chint, groossi Soorge. Kleine Kinder kleine Sorgen, grosse Kinder grosse Sorgen (Wander2/1299/654).

Chleini Chint trätte der Müeter un du Rock, groossi uff ds Häärz. Kleine Kinder treten der Mutter auf den Rock, grosse auf das Herz. (Wander 2/1299/643) Kleine Kinder geben weniger Sorge als grosse.

Letzte Bearbeitung: VS, 1.2.19

(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzweg#Vierzehn_Stationen)

Volmar Schmid, 30. 11. 2010
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